Saturday 6 February 2016

Only God Forgives (2013)

(Stil * Suspense * Nonsens) – Inhalt

Julian (Ryan Gosling) betreibt einen Boxclub in Bangkok, doch das wirkliche Geschäft macht er mit Drogenhandel. Eines Tages wird Julians Bruder durch die Anweisung des Polizisten Chang (Vithaya Pansringarm) ermordet. Voller Blutdurst reist die Mutter Crystal (Kristin Scott Thomas) nach Bangkok. Ihr jüngerer Sohn Julian soll den Tod ihres Lieblings rächen. Dieser zögert anfangs noch, doch nach und nach gerät er in eine Spirale sinnloser Gewalt.

Only God Forgives: Diesen Film also lässt der Däne Nicolas Winding Refn auf seinen Erfolg Drive folgen. Vor zwei Jahren wurde er in Cannes noch als bester Regisseur geehrt, dieses Jahr zeigt sich die Kritik bestenfalls verständnislos, wenn nicht gar feindselig. Verwundern tut’s nicht, ist doch Only God Forgives ein Kinoerlebnis, das sich bewusst quer stellt. Refn treibt die emotionale Leere, die sich auch in Drive zeigt, konsequent auf die Spitze. Gesprochen wird fast überhaupt nicht. Ryan Gosling (schon in »Drive« nicht der Redseligste) und Vithaya Pansringarm (Till We Meet Again) starren minutenlang in die Kamera, als gälte es eine Wette zu gewinnen: Wer schaut apathischer aus der Wäsche? Zum Glück ist da noch Kristin Scott Thomas (The English Patient), die als zickige Mama gehörig die Zähne fletscht und das Schweigen mit einigen coolen One-Linern unterbricht.

Zwischen die Phasen des Wartens drängen sich immer mal wieder heftige Gewalt-Ausbrüche, die einen kurz aufschrecken lassen, aber weit davon entfernt sind, Aha-Momente zu liefern. Meist ohne erkennbare Motivation werden Leute gefoltert, verstümmelt und abgemetzelt. Diese Szenen sind überstilisiert und sinnentleert: Es gibt keinen Grund für die Gewalt, aber sie setzt immer wieder ein, als ginge es nicht anders, als könne oder wolle man nicht dagegen ankämpfen. Schön und gut. Nur muss sich Refn die Frage gefallen lassen: Und nu’?

Gute Kunst lässt dem Zuschauer Raum, das ist wahr. Aber Refns Raum ist leer und bedeutungslos. Er will ein vielsagendes Schweigen beschwören, ohne dass er etwas zu sagen hätte. Freilich lädt Only God Forgives dazu ein, Julian einen Ödipus-Komplex zuzuschreiben, und natürlich könnte man allerhand Tiefgründiges in den Film hinein dichten. Aber warum sollte man? Dafür gibt uns Refn zu wenig Anhaltspunkte und zu wenig Faszination. Teilweise sind die ach-so-tiefgründigen Szenen sogar (unfreiwillig) komisch.

Only God Forgives ist gefährlich nah dran, vermessener, selbstverliebter Schwachsinn zu sein. Was den Film rettet, sind seine formalen Qualitäten. Wie Refn trotz völliger Inhaltsleere die Spannung hoch hält, das ist schon bemerkenswert. Hier wird virtuos mit der Geduld des Zuschauers gespielt. Immer wieder sitzt man frustriert da, und doch bleibt die Frage: Wie geht’s weiter? Hat die ganze Sache vielleicht nicht doch einen Sinn? Am deutlichsten zeigt sich das am Ende des Films, das eine Auflösung oder Pointe suggeriert, diese Erwartung aber enttäuscht und offen legt: Es gibt nichts zu sagen. Rein gar nichts.

So wirkt das Ganze fast wie ein abstraktes Kunstwerk: Stil mal Suspense mal Nonsens minus Inhalt. Only God Forgives ist eine formale Fingerübung, und die Zuschauer sind Refns Versuchskaninchen. Muss man sich das antun? Nein. Aber man kann. Wenn man weiss, worauf man sich einlässt.

6/10

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